Wie real ist der Vorsprung realer Events?

Wie real ist der Vorsprung realer Events?

Oder: Was wir von virtuellen Events in Sachen Content lernen können.

Dass alternative Eventformate derzeit boomen, ist alles andere als überraschend. Doch für alle, denen das Sorgen bereitet: Virtuelle Events werden die realen nach der Krise nicht ablösen. Denn dass die Menschen nach Corona wieder auf echte Erlebnisse, auf reale Begegnungen drängen werden, spürt man mit jedem weiteren Tag in Quarantäne an sich selbst – stärker und stärker und stärker.

Dennoch stellt sich die Frage: Wird unsere Branche nach der derzeitig äußerst schwierigen Krise einfach weitermachen können wie bisher? Reicht der grundlegende Menschheitsdrang, persönlich miteinander kommunizieren und in Kontakt treten zu wollen, als Existenzbegründung aus?

Das Beste, was wir zum jetzigen Zeitpunkt – im Homeoffice festsitzend – tun können, ist uns darüber Klarheit verschaffen, was da jeweils genau passiert: Bei einem realen Event – und einem virtuellen.

Der Versuch, die Sachlage zu ordnen, führt uns ziemlich schnell zum Oberbegriff „Kommunikation“. Und es wird auch schnell klar, dass alle Veranstaltungsarten, seien sie analog oder virtuell, versuchen, möglichst effektiv und effizient zu kommunizieren. Soweit so gut. Gehen wir eine Stufe weiter, lassen sich verschiedene Arten der Kommunikation unterscheiden. Und hier kommen wir dann zur Kernfrage:

Welche Arten von Kommunikation erfüllt eigentlich ein realer Event? Welche ein virtueller? Und was schließt sich jeweils aus?

Das erste, was beim Medium „realer Event“ in den Sinn kommt, sind schön gestaltete Orte mit gutem Essen und Trinken und manchmal cooler Musik. Da man in der Regel eine Anreise hinter sich hat, muss man sich auch körperlich bewegen, um das Medium „realer Event“ zu konsumieren. Und das ermöglicht dann diese spezifische direkte, persönliche, ganzheitliche und äußerst unkomplizierte Art der Kommunikation mit anderen. Man erfasst sein Gegenüber in seiner Gesamtheit, kann charmant und locker sein, miteinander reden und lachen. An solch einem Event würden wir jetzt alle gerne teilnehmen, richtig? 1:0 für reale Events, würde ich sagen.

Anders beim Medium „virtueller Event“. Hier ist alles digital und besteht aus: Webseiten, Apps, Webinare, gefilmte Interviews, Umfragetools etc. Alle bleiben zu Hause und loggen sich mit ihren Devices ein. Geht deutlich schneller – man ist aber auch deutlich schneller wieder weg. Haben es alle erfolgreich geschafft („Ich kann dich nicht hören – ah, jetzt…“), können virtuelle Events – bis eben auf das Direkte, Persönliche und Ganzheitliche – auch alle Arten der Kommunikation herstellen. Das kann von der reinen Informationsübermittlung bis zur hochgradigen Interaktion alles sein. Aber auch mehr und mehr Informelles – also Partyelemente – werden in virtuelle Räume übertragen, wie man derzeit an virtuellen Kaffeetreffen im Kollegenkreis oder auch an der digitalen Abschlussparty des #WirVsVirus Hackathon sehen kann. Dann steht es jetzt also real vs. virtuell 1:1?

Die Eventdesigner unter uns höre ich hier leidenschaftlich widersprechen:

Alle diese genannten Kommunikationsarten der virtuellen Events beherrschen wir Live-Profis doch auch rauf und runter! Aber zusätzlich noch die event-unique direkte, persönliche und ganzheitliche Kommunikation, die im virtuellen Raum eben nicht stattfinden kann. Es steht also, da können sich die Digitalprofis noch so sehr ins Zeug legen, immer mindestens 2:1, 3:2, 4:3 etc. Der reale Event gewinnt immer, der Vorsprung ist eingebaut.

Das ist absolut richtig. Das Problem ist nur, dass wir in der Eventbranche uns oft allein auf diesen knappen Vorsprung verlassen. Und dann kann sich dieses 1:0 ziemlich schnell zu einem Eigentor entwickeln.

Warum ist das so? Nun, ein Event, wie ich ihn oben skizziert habe, ist absolut allgemeingültig. Wir haben noch gar nicht geklärt, worum es überhaupt gehen soll, was eigentlich kommuniziert werden soll. So ist er ein Rahmen ohne Inhalt, könnte von jedem Unternehmen, ohne Ziel und außergewöhnliche Kernbotschaft veranstaltet werden. Und genau das ist leider viel zu oft der Fall!

Bei einem virtuellen Medium würde das so niemals passieren. Aus dem einfachen Grund, dass hier die Bildschirme immer erst einmal schwarz sind. Deshalb konzentriert sich von Anfang an alles auf den Inhalt. Deshalb muss man zuerst zahlreiche Gedanken auf das Konzept verwenden, will man wirklich außergewöhnliche Kommunikationserlebnisse schaffen.

Wenn wir jetzt als Vertreter der Eventbranche, den Umständen der Zeit geschuldet, beginnen, virtuelle Events durchzuführen, sollte uns bewusst sein, dass es für uns in Wahrheit – wie für alle anderen schon immer – 0:0 steht.

Mehr noch: dass wir gerade eigentlich die Jobs von Web-, UX-, Interaktions-Designern sowie Film- und Fernsehproduzenten machen.

Und wir uns daher notgedrungen viel mehr als bisher auf die Inhalte konzentrieren müssen. Da uns eben sprichwörtlich die Hotelbar und die coole Musik als strategische Pluspunkte fürs sichere 1:0 fehlen.

Das können wir allerdings als Chance begreifen. Wenn wir jetzt als Eventdesigner eine stärkere Konzentration auf die Inhalte zum Wesen unseres Handwerks machen und dies nach der Krise einfach beibehalten, dann werden künftig Events entstehen, bei denen deutlich höhere Ergebnisse herauskommen als nur ein 1:0.

Wir selbst werden dann nicht mehr nur als die „Event-Organisierer“ wahrgenommen, die einen Ort schön gestalten und für gutes Essen und Trinken sorgen. Sondern wir können uns als Kommunikationsexperten präsentieren, die reale mit virtuellen Erlebnissen geschickt verbinden – und mit Hilfe des 1:0 Vorsprungs den Content für die virtuelle Web- und Social-Media Auswertung produzieren.

Wie real ist der Vorsprung realer Events?
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